Samstag

Geliebte Katastrophentage

Nachdem das Boot im Wildwasser umgeschlagen ist und die gesamte Ausrüstung den Fluss herunterschwimmt, ist natürlich ein Wort mit großem Sch. Alles weg, und was nicht weg ist, ist nass. Und das mitten im Dschungel, weitab jeder Siedlung!

Verdammte Sch!, klingt es auch aus der gedrängt sitzenden Reisegruppe auf der Ladefläche eines nepalesischen Lastwagens, den vor allem buddhistische Malereien zusammenhalten. Die provisorische Plane leckt, es ist kein Platz, sich zu bewegen. Doch der museumsreife Lkw ist an diesem verregneten Morgen die einzige Möglichkeit, über frische Erdabbrüche auf der hier tatsächlich Straße genannten Panzerpiste bis dorthin zu gelangen, wo ein kaum weniger museumsreifer, immerhin aber mit Sitzen ausgestatteter Bus wartet.

Sch!Sch klingt es hier und Sch klingt es dort, Gesichter sind zur Faust geballt und Galgenhumor regiert. Genau daran aber erkennt man jene Tage, an denen aus Urlaub ein Ereignis wird, das für immer im Gedächtnis bleiben werden. Denn irgendwann ist der Schlafsack wieder trocken, irgendwie huppelt auch der tuckernde Laster ins Ziel. Und auf einmal, binnen Stunden, vollzieht sich eine geheimnisvolle Wandlung: Das Desaster wird zum Erlebnis, die Katastrophe zum großen, tapfer bestandenen Abenteuer.

Und aus Sch, ja, aus Sch wird nun: „Ach, war das schön!“

Donnerstag

Erkundungen in Kathmandu

Mehr Verkehr hat keine Stadt, zumindest aber ist er nirgendwo chaotischer. Die historische Altstadt von Kathmandu gleicht zweimal am Tag einem Moped-Parkplatz, über den sich Lkw und Pkws schieben, denen aus respekt vor ihrer größe Platz gemacht wird. Ein SUV kostet hier drei- bis viermal so viel wie im Westen, aber dank grassierender Korruption bei jedem Bauprojekt gibt es genügend Leute, die sich die neuesten Modelle leisten können.


Umso größer ist der Kontrast zum allgegenwärtigen Schmutz auf den Straßen. Selbst in der Nähe und in den Heiligtümern Bhaktapur und Pashupatinath türmt sich der Mülle. Der Hindu aber nimmt es leicht, im nächsten Leben wird alles besser. Auch der Buddhist, für den die Stupa von Bodnath das Allerheiligste ist, sieht das gelassen. Ein paar Gebetsfahnen drumgebunden, und schon wird aus dem hoffnungslos vergammelten Einkaufsviertel Thamel und die vor Taubendreck starrenden Bazarstraßen ein exotischer Platz, über den Touristen staunend flanieren.

Zu Staunen gibt es auch einiges. Überall Tempel, allerlei ehemalige Königspaläste, geschnitztes Holz und Teehändler. Rote Ziegel und vergilbtes Holz nach vorn, hinten grün bemoostes Hinterhöfe – am Fluß hinter dem Heiligtum Pashupatinath, das nur Hindus betreten dürfen, qualmen die Leichen der frisch Verstorbenen.


Ganze Familienverbände, zumindest der männliche Teil von ihnen, begleiten die Toten auf ihrer letzten Reise, die sie inmitten eines Holzstapels am Flussufer antreten. Rauch liegt in der Luft, Affen toben über die Brücken, Hinterbliebene legen Trauerkleider an und die Frauen der Familie zetern vor Kummer aus einem verbarrikadierten Balkon im zweiten Stock.


Hier lohnt sich auch ein Einkaufsbummel, zumindest zum Staunen. Kathmandu ist die Hauptstadt der gefälschten Outdoor-Klamotten, Jack Wolfskin hat hier mehr Outlets als in ganz Europa. Davon abgesehen wird viel Tee angeboten, Gebetsfahnen und die unumgänglichen T-Shirts. Favorit dabei das Modell mit der "30", die keine 30 ist, sondern ein "Ohmmm" wie in "Omm mani Padme humm". Wer Ohmmm sagt, ruft augenblicklich 3,3 Millionen Götter zu sich. Man kann aber auch ein T-Shirt anziehen, wie es in der Auslage eines Ladens hängt. Oder man bestellt einfach ein Omlett.

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Mittwoch

Über Sundarijal nach Chisopani

Morgens fährt der Bus in den Nordosten des Kathmandu-Tales. Die Strecke von etwa 18 Kilometern dauert anderthalb Stunden, der Wagen wankt und wackelt auf den nur rudimentär ausgebauten Wegen.

Sundarijal liegt auf 1.400 Metern Höhe und besteht aus ein paar Hütten, die schon bessere Zeiten gesehen haben. Auf dem Dorfplatz hat sich ein Busbahnhof eingerichtet, von dem aus alle Trekker ins Helambu-Gebiet starten. Die Begleitmannschaft sattelt ab, hier und da werden noch Schuhe gewechselt und Hosen gekürzt.

Dann trottet die Truppe los, anfangs noch angeregt schwatzend, beim näherkommenden Aufstieg zum Bulang Bhanjyang allerdings zunehmend wortkarger. Ein paar Regentropfen fallen und beim Tamang-Dorf Mulkharka auf 1.900 Meter beobachten wir während der Mittagspause eine Dame aus der Nachbarschaft, die die Anwesenheit von Zuschauern in diesem menschenleeren Dorf nutzt und unter einem Gewirr von Decken und Tüchern zu duschen. Zu essen gibt es Nudelsuppe, alles frisch, wie Guide Udaya Sharma lobt.

Am Nachmittag geht es weiter bergauf bis zum rund 2.450 m hohen Pass, der uns aus dem Kathmandu-Tal hinaus und hinein ins Helambu-Gebiet bringt. Noch sind wir nicht da, noch fehlt ein weiterer Abstieg bis zum Gipfel. Hier liegt angeblich das Dorf Chisopani, was wohl "kaltes Wasser" heißt. Ein Dorf ist allerdings nicht zu sehen, nur eine Lodge mit ein paar umstehenden weiteren Lodges. Es regnet ein bisschen. Zum Abendessen gibt es Nudelsuppe, Everest-Bier und Reisweis, der wie Tapetenleim schmeckt. Die Lodge hat ein Klo und eine Dusche, der Lodgebetreiber unterhält gegenüber eine Kneipe.

Gehzeit: 4-5h; Fahrzeit: 1,5h; Aufstieg: 1150m; Abstieg: 350m

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Von Chipling nach Kutumsang

Morgens regnet es schwere Tropfen, alles ist nass, nur der Chapati-Fladen nicht. Knochentrocken ergänzt das Teil das knochentrockene harte Ei. Der Abmarsch verzögert sich, weil schwerste Regenausrüstung angelegt wird. Die Sherpas nehmen es locker, sie spannen Regenschirme auf.

Immer mit Blick in die tiefhängenden Wolken, hinter denen angeblich die Gosainkund-Kette und der Langtang Himal sein sollen, tastet sich die Gruppe die zuweilen steilen und glitschigen Hänge hinab Pati Bhanjyang auf 1.750 Meter. Kein Ziel, nur eine Pause. Von hier geht es wieder nach oben, immer den Regen im Nacken und die feuchte Luft unter der Regenjacke. Alle sind klitschnass, von innen und von außen.

Das ist nicht einmal unangenehm bis zur Mittagspause in Chipling auf 2.150 Metern. Erst dort kleben die Sachen richtig. Zum Mittag gibt es Nudelsuppe, alles frisch, danach läuft der Weg stets über den meist bewaldeten Kamm nach Norden und als alle denken, wir seien fast da, eröffnet sich mit einem weiteren Berg eine neue Perspektive: Da noch hoch und dann sind wir da. Geredet wird beim steilen Aufstieg inmitten von Kuhherden kaum noch.

Hinter Thodang Danda beginnt es, neblig zu werden, an der Lodge in Kutumsang auf 2.450 Meter ist es fast dunkel, drinnen sowieso. Die feuchte Truppe hockt in einem winzigen Aufenthaltsraum um einen qualmenden Ofen, überall an Decke und Wänden hängen nasse Klamotten. Das Essen ist frisch vom Ofen.


Gehzeit: 9h; Aufstieg: 1200m; Abstieg: 950m

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Von Kutumsang nach Thare Pati

Vom Platz vor der Lodge kann man die weitere Strecke erahnen. Einmal straff runter und wieder hoch, dann einmal am Berg vorbei, dann wieder hoch, nochmal runter und wieder hoch. Dort irgendwo soll Thare Pati liegen, man sieht aus der ferne ein paar Dächer, das ist alles.

Der von Nord nach Süd verlaufende Kamm bis Thare Pati bildet die Wasserscheide zwischen dem Indrawati im Osten und dem Trisuli im Westen, sagt Udaya. Was ist Indrawati? Was Trisuli?

Der Wald besteht hier aus rotem Holz, in ihm sollen Rote Panda leben. Falls wir sie nicht sehen, sagt Udaya, kommt eine zweite Chance: Im Zoo von Hannover gibt es auch welche. Aber Glück: Ein russisches Pärchen kommt uns entgegen – sie haben gerade einen Panda gesehen. Echt. Doch an der Stelle, die sie markiert haben, ist er nicht.

Dafür Rhododendronbäume, die im Frühjahr blühen. Sherpa-Land, das jetzt die Siedlungen der Tamang ablöst. Großes Problem hier ist der Brauch, seine Töchter gegen neue Dächer für die Hütte einzutauschen. Der Pangdo-Pass bei Mangengoth auf 3.200 Meter wird bei strömendem Regen erklommen. In der Mittagslodge liegt eine Gitarre herum, die allerdings nur vier Saiten hat. Nach dem ersten Stimmversuch sind es noch drei. Der Wirt ist nicht böse.

Am Nachmittag geht es bergab und dann wieder bergauf, denn das Tagesziel Thare Pati liegt auf 3.500 Meter. Ansonsten ist es neblig, Tomatensuppe diesmal, die nach Knoblauch schmeckt. Der Preis für eine Flasche Everest ist auf 400 Rupien gestiegen.



Gehzeit: 7-8h; Aufstieg: 1200m; Abstieg: 150m

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Von Thare Pati nach Phedi

Direkt hinter der Lodge geht es den Berg hinauf, danach wieder runter. Nebel und Regen begleiten den Wanderzug, kaum einmal kommen andere Wanderer uns entgegen oder überholen uns. Für die Kinder in den wenigen Häusern am Weg sind wir ein Ereignis, so selten, dass sie Bonbons gar nicht erst auswickeln, ehe sie sie in den Mund stecken.



Nach dem grasbewachsenen Höhenzug folgt wieder Wald, auf den Wald wieder ein Höhenweg, der hinauf zur Hochalm von Ghopte auf 3.450 Metern führt. Das ist noch nicht das Ende: Bis Dhubichaur geht es weitere hundert Meter hoch. Trotzdem ein vergleichweise kurzer Tag, denn näher am Pass ist keine Lodge mehr.


Inzwischen tauchen immer öfter Blutegel auf, deren Trickreichtum beim eindringen in die Kleidung keine Grenzen kennt. Die Tierchen sind etwa so groß wie ein Streichholz und sie bewegen sich fort wie eine rumänische Kunstturnerin: Vorn hoch, hinten stecken, Brücke machen und so weiter. Wenn sie es bis zur Haut schaffen, beißen sie zu, fast unspürbar. Das Körpervolumen bläht sich dann auf das Drei- oder Vierfache auf. Die Entfernung wird zu einer blutigen Angelegenheit, allerdings, sagen die einheimischen Experten, besteht keine Gefahr, die wollen wirklich nur saugen und tragen keinerlei Viren oder Krankheitserreger in sich. Trotzdem ist jede Entdeckung jedes Blutegels für große Aufregung gut: Alles späht am eigenen Körper entlang, alles schüttelt und sucht.



Tagesziel ist Phedi, im Nebel ein Ort, den man Strandurlaubern nicht weiterempfehlen kann. 3.650 Meter hoch und Aussicht null. Die Gebetsfahnen an der Stupa vor dem Haus hängen traurig durch. Vor der Lodge liegen ein paar Trümmer eines italienischen Jets, der hier vor einigen Jahren abgestürzt ist. Der Aufenthaltsraum wird wieder zum Trockenraum, das Essen ist wieder frisch.


Gehzeit: 6h; Aufstieg: 800m; Abstieg: 650m

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Über den Laurebina-Pass nach Laurebina Yak


Einmal um die Hütte rum, dann geht es auf einem schmalen Pfad weiter nach oben. Es ist noch dunkel, so früh sind wir gestartet, auch die Hosen sind noch feucht. Bis zum 4.610 Meter hoch gelegenen Laurebina-Pass, den die Einheimischen Surya La nennen, dauert es rund vier Stunden. Der Aufstieg ist mühsam und Ausblicke bieten sich wegen der feuchten Luft kaum, einige Wanderer schnaufen wegen der Höhe auch schon vernehmlich, andere klagen über Kopfschmerzen. Die beiden Sherpas, Guide Udaya und Sirdhar Kumar allerdings wandern, als absolvierten sie einen Gang zum Bäcker. Die aufgespannten Regenschirme legen diese Assoziation nahe.

Mit zunehmender Höhe wird es dann windiger, ohne dass der Nebel weicht. Erst auf der Passhöhe, die die Grenze vom Helambu- zum Langtang-Nationalpark markiert, reisst der Himmel auf. Bei gutem Wetter würde man nun sogar Annapurna, Manaslu, Ganesh und Langtang Himal sehen. Heute schneit es ein paar Flocken und auf dem Syrya La, der nicht direkt am Pass liegt, sondern einige Meter nebenan aufragt ist der Jubel groß. Erster Gipfel! 4604 Meter! In einer Lodge, die halb aufgegeben, halb wie noch im Ausbau aussieht, gibt es Tee, danach folgt ein endloser Abstieg bis zu den Gosainkund-Seen auf 4.380 Meter.



Während des Vollmond-Festes im Juli/August sollen hier tausende Pilger im heiligen Wasser baden und Shiva, den Gott der Zerstörung und Erneuerung, Puja darbringen. Heute ist niemand da, nur die Sonne kommt langsam raus. Der weg wird hinter Chalang Pati Danda flacher und breiter, nach knapp acht Stunden erreichen wir Laurebina Yak auf 3.900 Meter. Die Lodge heißt wieder was mit View, es gibt heute Abend mal Suppe und Chiapati dazu. Komisch: Dem anhaltenden Geschmack nach reist der Koch offenbar mit, aber tagsüber sieht man ihn nie.



Gehzeit: 6-7h; Aufstieg: 1000m; Abstieg: 700m

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Von Chanlang Pati nach Thula Syabru

Der Weg ist jetzt ein Spaziergang. Es regnet nicht mehr, stattdessen strahlt die Sonne. Und es geht fast den gesamten Tag bergab. In Chalang Pati bei 3.580 Metern gibt es Käse aus seiner staatlichen Käsemanufaktur, der hervorragend schmeckt. Zumindest denen, die vor dem ersten biss nicht in die Fabrikationsräume geschaut haben. An einer Lodge unetrwegs steht die aus einem Holzrahmen und einer Plastikplane gebaute höchste Telefonzelle der Welt. Das Satellitentelefon drinnen klingelt wirklich gerade.

Die Stimmung ist gelassen, ringsum strahlen die Bergriesen des Himalaya. Nach einem weiteren langen Abstieg geht es an einem Armeegelände vorbei, aus dem müde, gelangweilte Rekruten gucken, ins Dorf Thula Syabru auf nur noch 2.200 Metern.

Dank früher Ankunft kann das erste Bier draußen genommen werden, mit Blick auf die Langtang-Berge und den Ganesh Himal. In diesem schönen Dorf gibt es laut Reisebeschreibung eine Gompa, also eine tibetisches Kloster. Vor allem aber gibt es ein Internet-Café, das zwar geschlossen hat, aber sofort öffnet, als Kundschaft vor der Tür steht. Abends gibt es Momos, eine Art Teigtasche mit Gemüsefüllung. Sehen aus wie ein Gebissabdruck des Kochs, lästert jemand.


Gehzeit: 6-7h; Aufstieg: 100m; Abstieg: 1800m

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Von Thula Syabru über Bamboo Lodge nach Rimche

Es geht weiter runter, denn hier schneidet das Helambu-Tal sozusagen das Tal des Langtang. Um von einem ins andere zu gelangen, muss der Fluß überwunden werden, und das geht nur ganz unten, wo eine Hängebrücke wartet. Durch das Dorf, das zum Teil neue schicke Häuser, zum Teile uralte Katen hat, geht es also bis auf 2.000 Meter hinunter, zum Glück folgt dann die sonnenabgewandte Seite, denn inzwischen ist es richtig warm geworden.

Hinter der Brücke wieder hoch, dann folgt ein wirklich steiler Abstieg in die Langtang-Schlucht bis zum Talboden auf 1.700 Meter. Ab hier folgt der Weg dem Flußtal, nur immer mal unterbrochen von einem den Landschaftsbedingungen geschuldeten Totalabstieg nach unten. In Bamboo Lodge auf 1.950 Meter gibt es wiedermal Tee, man kann prima draußen sitzen und dem ohrenbetäubenden Lärmen der wassermassen zuhören. Weiter durch dichten Wald aufwärts, auf 2.150 Meter die nächste wankende Hängebrücke, auf der nun schon alle die fehlenden Schrauben zählen.


Doch sie hält und am Nordufer des Langtang Khola geht es durch Mischwald weiter bergauf, ab und an überholt von einer Engländerin, die wegen eines angeblich gebrochenen Fußes beschlossen hat, hinauf in die Berge zu reiten. Rimche Danda auf 2.450 Meter kommt später als gedacht, aber noch früh genug, um auf den Treppenstufen vor der Lodge in den Sonne zu sitzen und Bier zu trinken. Kein Everest diesmal, sondern spanisches St. Miguel, das dem Aufdruck nach von den Phillipinen kommt. Globalisierte Welt. Kostet jetzt auch schon 500. Ringsum wächst hier Hanf, die Sorte, die sich rauchen lässt. In Nepal war und ist das nie verboten gewesen. Und wir sind doch hier in Nepal?


Gehzeit: 5h; Aufstieg: 950m; Abstieg: 700m

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Von Ghore Tabela nach Langtang

Ab jetzt geht es nur noch aufwärts. Nein, von der europäischen Wirtschaft haben wir seit Tagen nichts gehört, aber am Berg geht es nicht anders. Da der Aufstieg recht steil ist, endet bald auch der Bergwald. Vor Ghora Tabela auf 3.000 Meter weitet sich die Schlucht zu einem Hochtal, in dem die saftigen Weidewiesen und wenigen Ackerflächen an Mecklenburg erinnerten.


Wenn nicht die Berge ringsum wären. Dazu passt, dass es Sanddornsaft zu kaufen gibt, aus eigener Ernte. Und Yakghurt, der schmeckt wie der Joghurt ohne geschmack aus dem Supermarkt. Nur ein wenig teurer ist er. regionale Wirtschaft muss man sich als Kunde eben leisten können. Mittags bei Thyang Shyab, es gibt Tee und Suppe, zeigt sich der Tsergo Ri, unser Gipfelziel. Ein Felsklops, der an die Halden im Mansfelder Land gemahnt.



Hinter einem weiteren Armeestützpunkt mit einer Besatzung, der die Sinnlosigkeit des gesamten Daseins ins Gesicht geschrieben steht, geht es durch lichtes Gebüsch beständig bergauf, an einer langen Manimauer vorbei und über Stock und Stein bis nach Langtang auf 3.350 Meter. Das Internetcafé hier hat mangels Nachfrage zugemacht, aber die Japaner haben einem Mann am Ortsrand geholfen, eine deutsche Bäckerei zu eröffnen. Brot, Brötchen und Apfelkuchen bekommt der Kondidor vom Aussehen her schon fantastisch hin, am Geschmack muss er noch arbeiten. Trotzdem bestes Essen seit Kathmandu. In der Lodge wird abends eine Flasche spanischer Rotwein im Bierregal entdeckt. Spontankauf ohne Reue. Das Säftchen ist zwar schon kurz vorm Umkippen in sein zweites Dasein als Essig. Aber unter den Bedingungen hier. Ein Wunder an Wohlgeschmack.


Gehzeit: 6-7h; Aufstieg: 1000m; Abstieg: 100m

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Von Langtang nach Kyangjin Gompa

Hoch ist das neue runter, löslicher Kaffee das neue Gingertee und St. Miguel das neue Everest. Unter strahlendem Sonnenschein geht es aus Langtang wieder raus auf die Hochebene, vorbei an großartig aussehenden Wasseraufbereitungsanlagen, neben denen in Deutschland unweigerlich ein Schild stehen würde, das auf die Finanzierung mit Fördermitteln der EU hinweist.

Hier fehlt es, die Anlage am Ortsrand funktioniert auch gar nicht. Entlang einer endlosen Manimauer geht der Weg ganz langsam weiter nach oben, die Wegstrecke ist diesmal nur drei Stunden lang, dann sind wir in Kyangjin Gompa und auf 3.800 Metern Höhe. Direkt neben der Lodge ragt der einfallsreich Kyangjin Li genannte Gipfel auf, der für den Nachmittag auls Probelauf für den großen Berg morgen vorgesehen ist.

Unten im Dorf, das eigentlich nur existiert, weil Trekker hier am Talende gern nochmal rasten, ehe sie den nächstgelegenen Berg ersteigen und dann rumdrehen, ist nicht viel los. Ein buddhistischer Gebetsraum und eine alte, auf Schweizer Initiative eingerichtete Käserei sind die beiden Sehenswürdigkeiten, dazu aufdringliche Mulis und endlich auch große Felsen, an denen Yak-Kot fürs abendliche Feuer getrocknet wird. Nach der Mittagsrast geht es los, steil hoch auf den höheren der beiden Kyangjin Peaks, der in einer straffen Stunde erreicht ist. Oben Steinpyramiden und im Wind flatternde Gebetsfahnen, tief unten die Lodge, vor der der faulere Teil der Gruppe in der Sonne sitzt. Von 4300 Metern sieht man den Gletscher nebenan, einen Haufen mutmaßlicher Sechstausender und die Langtang-Hauptgipfel, dazu aber auch den Tsergo-Ri, der morgen drankommt.


Gehzeit: 3-6h; Aufstieg: 850m; Abstieg: 400m

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Aufstieg auf den Tsergo Ri


Eisiger Morgen, aber über den Gipfeln strahlt schon eine blendende Sonne, die dem Berg nebenan einen Heiligenschein zaubert. In der üblichen Wanderschlange tölpelt die Truppe unter Führung von Sirdar Kumar Richtugn Bergflanke, wo der Einstieg zum Gipfel des Tsergo Ri sein soll.

Der Berg ist 4.984 hoch, knapp an der 5000 vorbei, aber selbst die härtesten Mitwanderer, die anfangs aufs Tempo drücken und zwischen zwei Schnaufern beklagen, dass sie eigentlich fit genug seien, einen Sechstausender unter die Stiefel zu nehmen, schlurfen irgendwann nur noch träge durch Staub und Stein. Der Gipfel selbst ist zeitweise nur zu sehen, wenn man den Kopf in den Nacken legt, kurz vor dem Ziel folgt sogar noch eine besondere Schikane in Form einer Kletterstrecke, die nur aus locker liegenden Felsbrocken besteht.

Dann sind es aber nur noch 200 Meter, wiesenartig mit Flechten bewachsen. Schließlich mit letzter Kraft ins Gipfelziel, erleichterte Umarmungen, leuchtende Gesichter sogar bei den mitgewanderten Sherpas und Portern, die diese Strecke mal ohne Last gehen konnten. Imbiss unter Gebetsfahnen, staunen über die Berge, die die Grenze zum chinesischen Tibet bilden. Nein, sagt Sherpa Hari Bahdur Tamang, diese Grenze ist nicht bewacht. Keine Soldaten dort. Wozu auch.

Gehzeit: 4-8h; Aufstieg: 1200m; Abstieg: 1200m

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Von Ghora Tabela nach Rimche


Die Spannung ist raus, der Abend war lang. und jetzt dieser noch längere Kanten. Der Rückweg führt das Langtang-Tal abwärts, aber diesmal nicht nur wie auf dem Hinweg bis nach Langtang, sondern von dort aus weiter über Ghora Tabela bis nach Rimche, der hiesigen Hanfplantagenhauptstadt auf 2.450 Metern.

Die großen Berge sind jetzt hinter der Wanderschlange, vorn liegt das Tal, aus dem jetzt schon deutlich mehr Trekker und schwerbeladene Porter nach oben strömen. Der Vorschlag einer Eisenbahnlinie, die hier gut gebraucht werden könnte, weist eventuell auf gewachsene Kreativkraft durch die Wanderei, eventuell aber auch einfach auf Sauerstoffarmut hin. Mitwanderer finden ohnehin, dass eine solche Eisenbahn die ganze schöne Landschaft kaputtmachen würde. Sähe dann aus wie Österreich – und was nützt es dem Trekker, wenn der Porter von einem Güterzug ersetzt wird?


In Rimche ist das St. Miguel immer noch alle, dafür aber fertigt die Köchin des Hauses ihre Gemüsekuchen, die auf der Karte Pizza heißen, auf Wunsch der ausgebrannten Gäste mit einer Auflage aus den Resten der Salami, die seit Tourstart mitwandert.


Gehzeit: 6-8h; Aufstieg: 100m; Abstieg: 1450m

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Zurück nach Syabru Besi


Weiter auf bekannten Pfaden, auch wenn die Schwäche beim Aufstieg die erinnerte Reihenfolge der Lodges und Mini-Orte durcheinanderwirft. Erst kommt also dies, und dann das? Am Ende der Strecke über Bamboo Lodge geht es wieder vom Nord- zum Südufer des Langtang Khola hinüber. Inzwischen regnet es wieder, allerdings nur, weil in Indien ein Taifun wütet und das Wetter bis hierhoch durcheinanderbringt. Denn Mitte Oktober, sagen die Sherpas, regnet es nie.

Vom Talboden natürlich noch mal hoch, dann entlang des Ufers bis nach Syabru Besi. Kurz vor der Hauptstadt des ganzen Gebiete, in der es sogar wieder Internet gibt, stehen glückliche Kühe inmitten endloser Hanffelder. Es regnet Blasen, aber die grinsen.

Auf 1.450 Meter die letzte Lodge, der Koch offeriert Toast zum Frühstück. Muss sich aber nach Zählung der eingegangenen Bestellungen entschuldigen: Er hat nur zehn Scheiben. Disco mit Kulturausstausch zum Abschied. Die Sherpas spielen „Resham piriri“, eine Art Ohrbohrer auf Nepali, den niemand mehr loswird, der ihn je einmal gehört hat. Aus einem Trekker-IPhone folgt danach etwas von Metallica. Da leert sich die Tanzfläche. Draußen regnet es sich ein. Aber hier haben sie St. Miguel und sogar Ghorka-Bier.

Gehzeit: 5-6h; Aufstieg: 200m; Abstieg: 1200m

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Fahrt nach Kathmandu

Eigentlich wartet vor der Tür der Lodge ein Bus, der von hier aus binnen sieben Stunden bis in die Hauptstadt zurückschwanken kann. Der Fahrer hat es aber diesmal abgelehnt, bis hierher zu fahren. Er steht 20 Kilometer weiter hinterm Berg, gestoppt von einigen Erdbrüchen, die der heftige Regen ausgelöst hat. Weil das große Opferfest mit Puja und allem gerade begonnen hat, ist die Auswahl an Fahrzeugen, die von der anderen Seite bis zum Abbruch fahren wollen, sehr begrenzt.

Rückfahrt Kathmandu
Ein Lkw-Fahrer findet sich dann doch, sein Wagen hat allerdings eigentlich keine Plane. Schnell eine provisorisch drübergelegt und alle Mann an Bord. Es folgen anderthalb Stunden tastender Fahrt über Stock und Stein, gefolgt von einer letzten Wanderstrecke über die glitschigen Abbruchbereiche.

Dann in den Bus und über Dhunche und Trisuli Bazar, das allein schon eine Reise wert wäre, wenn es überhaupt keinen anderen Ort auf der Welt mehr gäbe, zurück nach Kathmandu. Geschafft, stöhnt es vor dem Hotel. Und alle haben überlebt.

Fahrzeit: 6-7h; Hotel in Kathmandu

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